Wie Juncker es mit Orbán aufnimmt

February 27, 2020 0 By JohnValbyNation

Hungarian Prime Minister Viktor Orban (left) and European Commission Jean-Claude Juncker | Janek Skarzynski/AFP via Getty Images

Eders Europa

Wie Juncker es mit Orbán aufnimmt

Der Kommissionspräsident vergisst nichts und weiß, wie man Beute reißt im Reich der Politik.

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Jean-Claude Juncker hat einmal verraten, dass er ein kleines schwarzes Buch besitzt, in das er Frech- und Gemeinheiten anderer Leute einträgt. Der Kommissionspräsident vergisst nichts und weiß, wie man Beute reißt im Reich der Politik: Er liegt dann lange auf der Lauer, blinzelt hin und wieder und schnappt irgendwann unvermittelt zu, wenn die Gelegenheit günstig ist.

Die Einträge über Viktor Orbán müssen sich jüngst gehäuft haben. Der ungarische Premierminister lässt die Ungarn fragen, was sie von der EU halten. Die “Konsultation”, die alle Haushalte im Briefkasten fanden, trägt den Titel: “Stoppen wir Brüssel!” Orbán drangsaliert eine Universität, er lässt Flüchtlinge einsperren, er nennt Migration das “trojanische Pferd des Terrorismus” und insinuiert damit, dass irgendein listiger Odysseus (wohl die Bundeskanzlerin oder Juncker oder beide) die Festung Europa von innen zerstören wolle.

Ungarn first: Weil eine Politik der Abschottung ohne Feindbild nicht auskommt, weil Ungarn aber keine natürlichen Feinde hat, muss die EU als Gegner herhalten, jene EU, zu deren größten Profiteuren Ungarn gehört. 2018 ist Parlamentswahl, ein Gegner muss her, einer, den man mächtig aussehen lassen kann und der gleichzeitig schwach ist: Die EU ist auf loyale Kooperation angewiesen. Sie kann einzelne Gesetze beanstanden. Gegen die fortgesetzte Überschreitung der Grenzen politischen Anstands, gegen die Aushöhlung ihrer Prinzipien hat sie keine angemessenen Waffen — außer jenen der Politik.

Juncker rief ein Treffen der Regierungschefs der Europäischen Volkspartei am 29. April zur Stunde der Wahrheit aus: Es müsse dort  ernsthaft diskutiert werden, ob Orbán und seine Fidesz-Partei noch Christdemokraten sind und sein könnten, sagte Juncker nach Teilnehmerangaben diese Woche in der Kommissionssitzung.

Mit der Drohung erhöht Juncker den Einsatz im Machtspiel, auch seinen persönlichen: Wenn das Thema nicht auf Tagesordnung komme, dann werde er womöglich dem Treffen fernbleiben, sagte Juncker. Er ist der erste EVP-Spitzenpolitiker, der Orbán droht.

Dass die EVP ihn nicht rauswerfen werde, konnte Orbán bislang annehmen. Sie ließ ihm immer alles durchgehen. Und hatte er nicht gerade noch Donald Tusk zum Ratspräsidenten wiedergewählt, um Loyalität zu beweisen? Er gab damit ein Pfand aus der Hand: Junckers Moment war gekommen.

Florian Eder schreibt Morgen Europa, das POLITICOMorgenbriefing in deutscher Sprache. Seine Kolumne “Eders Europa” lesen Sie am Samstag in der Welt — und hier. 

Authors:
Florian Eder 

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